Unser soziales Gehirn
Aufzeichnung des Akademietreffens
Verstehen, was Verbundenheit im Gehirn bedeutet
Dr. Nicole Strüber ist Neurobiologin, Autorin und Referentin – und eine der profiliertesten Stimmen, wenn es um die Verbindung zwischen Hirnforschung und Menschlichkeit geht. Ihre Themen reichen von früher Bindung und Trauma bis hin zu Coaching und Psychotherapie. In ihrem Buch »Unser soziales Gehirn« zeigt sie, wie das Miteinander im Gehirn verankert ist – und welche Bedeutung das für uns Menschen hat – beruflich und privat.
Darüber sprach Gastgeber und Akademieleiter Uli Funke mit Nicole beim Akademietreffen. Entstanden ist ein tiefes Gespräch über Biochemie, Synchronität und die neurobiologischen Wurzeln von Empathie – spannend für Führungskräfte, Coaches und alle, die Menschen besser verstehen wollen.
Vom Trauma zur Faszination: Wie Nicole zur Neurobiologie kam
Den Ursprung ihrer Forschung fand Nicole in einer persönlichen Kindheitserfahrung. Ihr Vater litt unter Angststörungen – eine Folge von Kriegstraumata.
»Da wurde mir gesagt: Er hat etwas mit dem Kopf. Und ich wollte wissen: Wie kommt das?«, erzählt sie.
Diese frühe Frage nach der Verletzlichkeit des Geistes ließ sie nicht mehr los.
Heute beschreibt sie das Gehirn als ein »wunderbar plastisches Organ«, das sich durch Erfahrungen formt. Milliarden Nervenzellen reagieren auf Reize, schaffen Identität, Sprache, Erinnerung und Zukunftsbilder – alles auf Basis elektrischer Impulse und chemischer Prozesse. Diese Plastizität, die Fähigkeit des Gehirns, sich durch Beziehung zu verändern, ist der Kern ihres wissenschaftlichen Interesses.
Oxytocin, Dopamin und Co.: Die Biochemie des Miteinanders
Wenn wir uns sicher und geborgen fühlen, reagiert das Gehirn mit einer ganz eigenen Chemie. Nicole erklärt:
»Oxytocin ist unser wesentliches Bindungs- und Sozialhormon. Es beruhigt, fördert Vertrauen und Kreativität – und hilft uns, Emotionen zu lesen. Gleichzeitig aktiviert es das Dopaminsystem, das Belohnung und Motivation steuert.«
Doch das Zusammenspiel ist komplex. Neben Oxytocin spielt auch Vasopressin eine Rolle – es fördert Schutz und Verteidigung, kann aber auch Stress aktivieren.
»Bindung ist neurochemisch keine einfache Geschichte«, sagt Nicole. »Aber sie zeigt, wie fein das Gehirn auf menschliche Nähe reagiert.«
Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Therapie entscheidend, sondern auch für die Arbeitswelt: Wer Führung neu denkt, muss die Neurobiologie des Vertrauens verstehen.
Synchronität – auf der gleichen Wellenlänge
Ein Schlüsselbegriff in Nicoles Forschung ist die Synchronität – das neurobiologische Phänomen, dass sich Menschen in ihren Bewegungen, Emotionen und sogar in ihrer Herzfrequenz angleichen, wenn sie in Verbindung stehen.
»Man kennt das: Man sitzt zusammen, lacht, trinkt, und plötzlich läuft alles im Gleichklang«, sagt sie.
Studien zeigen: Wenn Menschen sich synchronisieren, steigt das Vertrauen, Kooperation wird leichter, und wir fühlen uns sicher. Diese Effekte sind messbar – über Hormone, EEGs und Herzfrequenzen. Besonders spannend: Synchronität lässt sich sogar trainieren.
Nicole nutzt einfache Übungen wie das gemeinsame Spiegeln von Handbewegungen.
»Dabei wird Oxytocin ausgeschüttet – und Menschen fühlen sich weniger einsam«, erklärt sie.
Selbst in digitalen Räumen kann Synchronität entstehen, wenn Fokus und Resonanz stimmen.
Emotionale Intelligenz: Warum Menschlichkeit eine Superkraft ist
Für Nicole ist emotionale Intelligenz die zentrale Kompetenz der Zukunft. Sie beschreibt sie als Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen zu erkennen, zu nutzen und zu regulieren.
»Wenn eine Führungskraft versteht, warum sie gerade wütend ist, reagiert sie anders. Und wenn sie Mitarbeitende co-regulieren kann, entsteht Sicherheit statt Stress«, sagt sie.
Diese emotionale Feinabstimmung ist neurobiologisch verankert: Stresshormone fördern Konzentration, Oxytocin dagegen Kreativität und Offenheit. Gute Führung bedeutet also, beide Zustände bewusst zu steuern. Uli Funke fasst es treffend zusammen: »Menschlichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Superkraft.« Nicole lächelt: »Ganz genau.«
Synchronität als Heilungsweg
Ihr kommendes Buch trägt den Titel »Wie Synchronität die Seele heilt« – und ist eine Einladung, diese Erkenntnisse praktisch zu leben.
»Es ist kein Fachbuch, sondern ein Ratgeber für den Alltag«, erklärt Nicole. »Wir zeigen, wie man durch bewusste Verbundenheit emotionale Verletzungen überwinden kann.«
Dabei geht es nicht um Esoterik, sondern um die präzise Biologie des Miteinanders. Wenn Menschen in Resonanz gehen, beruhigt sich ihr Nervensystem, Stress wird reguliert, und Heilung kann beginnen.
Takeaways dieses Akademietreffens
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Nähe, Bindung und Vertrauen sind neurobiologisch verankert. 
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Oxytocin fördert Sicherheit, Empathie und Kreativität. 
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Synchronität entsteht, wenn Menschen sich aufeinander einstimmen – messbar bis in die Herzfrequenz. 
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Emotionale Intelligenz ist eine Schlüsselkompetenz für Führungskräfte. 
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Menschliche Verbindung kann Stress abbauen und Heilung fördern. 
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Digitale Kommunikation kann Resonanz anstoßen, ersetzt aber nicht das echte Miteinander. 
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Unsere Gehirne sind soziale Organe – sie brauchen Beziehung, um gesund zu bleiben. 
Länge 71 Minuten | Aufzeichnung vom Akademietreffen am 28.10.2025
 
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