Persönlichkeitsentwicklung
Aufzeichnung des Akademietreffens
Wie viel Entwicklung ist gesund – und wann kippt sie in Selbstoptimierung?
Persönlichkeitsentwicklung boomt: Überall geht es um Potenzialentfaltung, Erfolg und Selbstverwirklichung. Doch was hilft uns wirklich, innerlich zu wachsen – und wo beginnt der gefährliche Druck, »perfekt« sein zu müssen? Professorin Eva Asselmann gibt spannende Einblicke in die Psychologie der Veränderung. Sie erklärt, warum Krisen uns wachsen lassen können, wie wir Stress gelassener begegnen – und weshalb die Jagd nach Optimierung uns eher schwächt als stärkt.
Darüber sprach Gastgeber und Akademieleiter Uli Funke mit Eva Asselmann.
Persönlichkeitsentwicklung ist ein Trendthema – doch oft bleibt unklar, was dahinter steckt. Bedeutet Entwicklung, dass wir uns ständig optimieren müssen? Oder geht es um gesunde Veränderung, die uns widerstandsfähiger und zufriedener macht? Genau darum ging es beim Akademietreffen mit Prof. Dr. Eva Asselmann.
Eva ist Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der HMU in Potsdam und Visiting Professor an der UCLA in Los Angeles. Ihre Forschung zeigt, wie sich Persönlichkeitsmerkmale über die gesamte Lebensspanne verändern – und welche Faktoren dazu beitragen, dass wir an Krisen nicht zerbrechen, sondern wachsen. Mit ihren Büchern »Woran wir wachsen« und »Easy Relax« hat sie zudem vielen Menschen praktische Wege aufgezeigt, gesünder mit Stress umzugehen.
Für die Mitglieder der Akademie bot dieser Abend wertvolle Impulse: von wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Big Five bis hin zu konkreten Strategien für mehr Gelassenheit im Alltag.
Persönlichkeit ist formbarer, als wir denken
Lange galt die Annahme, unsere Persönlichkeit sei früh »festgeschrieben«. Doch moderne Forschung zeigt: Wir können uns auch im Erwachsenenalter weiterentwickeln.
»Wir wissen mittlerweile, dass sich unsere Persönlichkeit ein Leben lang verändern kann – bis ins hohe Erwachsenenalter. Besonders in Lebensübergängen – etwa beim Berufseinstieg oder im Ruhestand – sind Veränderungen deutlich erkennbar.«
Frühe Erfahrungen prägen uns zwar stark, doch das bedeutet nicht, dass wir später machtlos sind. Therapien oder neue Herausforderungen können auch im hohen Alter Veränderung ermöglichen. Entscheidend sei, sich nicht in einer Opferrolle einzurichten: »Wir möchten aktive Wesen sein, die ihr Leben in die Hand nehmen. Das geht nur, wenn wir davon ausgehen, dass wir uns verändern können.«
Damit entmystifiziert Eva Asselmann den Glauben an die »geborene Persönlichkeit« – und ermutigt, die eigene Entwicklung bewusst zu gestalten.
Krisen, Resilienz und gesundes Wachstum
Ein zentrales Thema des Abends war die Rolle von Krisen. Sind sie ein Motor für Entwicklung – oder eher eine Gefahr? Eva differenziert:
»Schwerwiegende traumatische Erfahrungen machen uns im Durchschnitt eher schwächer. Aber moderate Herausforderungen sind hilfreich, weil wir nur dann lernen, wenn wir mit Neuem konfrontiert sind.«
Resilienz versteht sie dabei nicht als starre Eigenschaft, sondern als Prozess. Es geht darum, Rückschläge zu verarbeiten und wieder ins Gleichgewicht zu finden. Persönlichkeitsentwicklung und Resilienz hängen eng zusammen: Wer sich weiterentwickelt, stärkt seine Widerstandskraft.
Besonders wichtig ist dabei die Balance zwischen Akzeptanz und Aktivität. Herausforderungen dürfen uns an unsere Grenzen bringen, aber nicht überwältigen. In dieser Spannung entsteht das gesunde Wachstum, das Menschen langfristig stabiler und gelassener macht.
Die Schattenseite der Selbstoptimierung
Wo endet gesunde Entwicklung – und wo beginnt destruktive Selbstoptimierung? Eva warnt vor einem Trend, der in der Leistungsgesellschaft immer stärker wird:
»Problematisch wird es, wenn ich einem Ideal nacheifere, das mir eigentlich gar nicht entspricht.«
Ein Beispiel: Introvertierte Menschen, die glauben, extravertiert sein zu müssen, verstellen sich oft so stark, dass sie unglücklich werden. Auch der Zwang, ständig perfekt und leistungsfähig zu sein, kann in Erschöpfung und Selbstentfremdung führen.
Die Gefahr liege darin, dass der Coaching- und Selbsthilfemarkt die Unsicherheit vieler Menschen ausnutze. Wer glaubt, »nicht genug« zu sein, wird besonders anfällig für Versprechen der Selbstoptimierung. Eva betont daher: »Unser Ziel sollte nicht sein, das letzte Quäntchen Leistung aus uns herauszupressen. Sondern dass es uns im Alltag gut geht – psychisch gesund, entspannt und gelassen.«
Vielfalt und Akzeptanz eigener Schwächen seien dabei entscheidend – sowohl individuell als auch gesellschaftlich.
Stressmanagement: Drei Säulen für mehr Gelassenheit
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war der Umgang mit Stress – eines der Hauptthemen von Eva Asselmanns Buch »Easy Relax«. Stress beeinflusst nicht nur unser Wohlbefinden, sondern auch unsere Persönlichkeit. Menschen mit höherem Neurotizismus etwa reagieren sensibler und ängstlicher. Doch genau sie können besonders von wirksamen Strategien profitieren.
Eva beschreibt drei Säulen des Stressmanagements:
- Alltagsorganisation – Strukturen schaffen, Termine planen, Prioritäten setzen.
- Kognitives Stressmanagement – Denkmuster hinterfragen, unrealistische Erwartungen loslassen.
- Regeneration – Pausen, Erholung, bewusste Auszeiten im Alltag einplanen.
»Gerade sensible Menschen profitieren besonders, wenn sie sich solche Strategien aneignen«,
betont sie. Denn Stress ist unvermeidbar – entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
Takeaways dieses Akademietreffens
- Persönlichkeit verändert sich ein Leben lang – auch im Erwachsenenalter.
- Krisen können Wachstum fördern, wenn sie nicht überwältigend sind.
- Resilienz ist kein fixer Charakterzug, sondern ein dynamischer Prozess.
- Exzessive Selbstoptimierung kann zu Entfremdung und Erschöpfung führen.
- Gesunde Entwicklung bedeutet, Stärken auszubauen und Schwächen zu akzeptieren.
- Stressmanagement gelingt über Organisation, neue Denkmuster und Erholung.
- Vielfalt und Selbstakzeptanz sind die Basis für echtes Wachstum.
Länge 52 Minuten | Aufzeichnung vom Akademietreffen am 24.03.2025

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